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Gerd (Elysis)

| Veröffentlicht am Samstag, den 02. Februar, 2002 - 09:00: |
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Also, ich habe ja wirklich nix gegen den Euler, aber wenn ich mir eine Funktion pi(x):=pi^x baue, und eine Umkehrfunktion lp(x):=ln(x)/ln(pi) - kann ich die beiden Funktionen nicht ÜBERALL gegen den ln(x) und exp(x) ersetzen, beim differenzieren, beim integrieren, sogar bei der Reihenentwicklung? Einzige Voraussetzung muß doch sein, daß pi(x) an jeder Stelle abgeleitet (z.B. logarithmisch oder über die Umkehrfunktion, aber immer mit den Austausch-Funktionen) sich selbst ergibt. Also ist die große Frage : Ist pi^x an jeder Stelle abgeleitet sich selbst ? Wenn JA, dann müßte das ja generell für JEDE Basis gehen, und man hat sich bloss auf die Euler-Konstante geeinigt, weil die Zahl in der Natur oft vorkommt. Wenn es aber NICHT für jede beliebige Basis geht - ja Gott, warum dann ausgerechnet für so eine krumme Zahl wie e ? Warum ? Welche Sache habe ich hier übersehen ? |
   
Christian

| Veröffentlicht am Samstag, den 02. Februar, 2002 - 13:51: |
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Hi Gerd Zunächst einmal betrachten wir die Funktion f(x)=a^x, also eine beliebige Exponentialfunktion. Wir bilden dazu jetzt den Differenzenquotienten an der Stelle x0: lim(h->0)(f(x0+h)-f(x0))/h =lim(h->0)a^(x0)*(a^h-1)/h Wenn (a^h-1)/h jetzt gegen einen Grenzwert g strebt, so ist die Funktion differenzierbar mit f'(x0)=a^(x0)*g Die Frage ist nun, ob es eine Basis so gibt, dass g=1 ist, also die Ableitung gleich der Ausgangsfunktion. An der Stelle x0=0 wäre dann f'(0)=1. Die Exponentialfunktion würde dann die Gerade g(x)=x+1 im Punkt P(0|1) berühren, weil sie die gleiche Steigung hat und durch den Punkt P geht. Wir betrachten nun ein paar Punkte, die die Gerade durchläuft: P1(1|1+1),P2(1/2|1+1/2),P3(1/3|1+1/3),...,Pn(1/n|1+1/n) Durch jeden dieser Punkte geht eine Exponentialfunktion, zu der wir die Basis berechnen können. Es gilt also: 1+1/n=a^(1/n) <=>a=(1+1/n)^n Für lim(n->oo) bekommt man als Wert für a die eulersche Zahl e. Dass dieser Grenzwert existiert kann man auch beweisen, was aber etwas länger dauert. Du kannst zeigen, dass (1+1/n)^n streng monoton steigend ist und beschränkt. Wenn man jetzt a^x ableiten will, schreibt man einfach e^(x*lna). Ableitung davon ist lna*a^x(mit der Kettenregel). MfG C.Schmidt |
   
Christian

| Veröffentlicht am Samstag, den 02. Februar, 2002 - 14:43: |
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Hi Gerd Vielleicht noch eine kleine Bemerkung zu deiner Frage. Wenn du pi^x ableitest bekommt du als Ergebnis ln(pi)*pi^x, also nicht die Ausgangsfunktion. Wenn man Vorgänge aus der Natur beschreiben will benutzt man häufig die Eulersche Zahl, weil man mit ihr sehr leicht rechnen kann. Man könnte aber genauso gut eine andere Zahl nehmen. Als weiters Beispiel möchte ich dir nochmal die Funktion f(x)=x^x ableiten. Hierfür ist die e-Funktion eigentlich unerlässlich: f(x)=x^x =e^(ln(x^x)) =e^(x*lnx) f'(x)=(lnx+1)*e^(x*lnx) =(lnx+1)*x^x (Die Ableitung wurde mit der Kettenregel berechnet mit (lnx)'=1/x) |
   
Gerd (Elysis)

| Veröffentlicht am Samstag, den 02. Februar, 2002 - 20:39: |
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Danke, Christian. Die Grenzwert-Betrachtung im ersten Beitrag hat es mir verdeutlicht und mir sehr geholfen. (Aber der Beweis würde mich ja schon reizen...) Und zum 2. Beitrag - Die Ableitung von PI^x kann man ja logarithmisch machen - wurde aber von Dir mit dem LN durchgeführt, da hätte ich natürlich den LP (log pi x) verwendet, der sich ja dann mit pi^x "aufhebt" : y = pi^x lp (y) = x * lp (pi) = x * 1 1/y * y' = 1 [!!] y' = y Dazu hätte aber die Ableitung vom lp(x) gleich 1/x sein müssen : y = lp(x) pi^y = x x' = dx/dy = pi^y (hier der falsche Schritt !!) y' = dy/dx = 1/pi^y y' = 1/pi^lp(x) = 1/x was scheinbar nur davon abhängt, daß eine Funktion gleich ihrer Ableitung ist, ansonsten hätte man x^x analog mit dem lp ableiten können. Naja, dann behalten wir die e-Funktion wohl doch noch ne Weile in den Mathe-Büchern... Danke für die Klärung, nochmal :-) |
   
Christian

| Veröffentlicht am Sonntag, den 03. Februar, 2002 - 12:42: |
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Hi Gerd Da dich der Beweis "reizt" werde ich ihn dir hier mal vorführen ;) Zunächst einmal musst du wissen, dass jede monotone, beschränkte Folge konvergent ist. (Das ist ja anschaulich klar) Ob man diese Aussage beweisen kann, da bin ich mir nicht sicher, denn eigentlich ist das nur eine kleine Abwandlung des Vollständigkeitsaxioms. Und Axiome können ja nicht bewiesen werden. Der Beweis, dass die Folge lim(n->oo)(1+1/n)^n konvergent ist, wird in mehreren Schritten durchgeführt. Dazu brauchen wir 2Folgen: an:=(1+1/n)^n bn:=(1+1/(n-1))^n Ich führe jetzt hier erstmal die einzelnen Schritte auf: 1.Beweis, dass an monoton steigend ist. 2.Beweis, dass bn monoton fallend ist. 3.Beweis, dass bn>an ist, um die Beschränktheit von an nachzuweisen. 1. an ist genau dann monoton steigend, wenn an/a(n-1)>=1 gilt. d.h.: (1+1/n)^n/(1+1/(n-1))^(n-1) =((n+1)/n)^n/(n/(n-1))^(n-1) =(n+1)^n*(n-1)^(n-1)/(n^n*n^(n-1)) =n/(n-1)*(n+1)^n*(n-1)^n/n^(2n) =n/(n-1)*((n^2-1)/n^2)^n =n/(n-1)*(1-1/n^2)^n Um jetzt zu zeigen, dass dieser Term >=1 ist, benutzen wir die Bernoulli Ungleichung. (1+h)^n>=1+nh für h>=-1 Diese Ungleichung wird mit vollständiger Induktion bewiesen: Induktionsanfang: n=1 1+h>=1+h Induktionsschluss von n auf n+1: (1+h)^n*(1+h)>=(1+nh)(1+h) (1+h)^(n+1)>=1+nh+h+nh^2>=1+(n+1)h [nh^2 ist immer größer als 0] Jetzt aber zurück zu unserem eigentlichen Beweis. Wir wenden jetzt einfach die Bernoulli Ungleichung an: n/(n-1)*(1-1/n^2)^n>=n/(n-1)*(1-1/n)=n/(n-1)*(n-1)/n=1 Das war jetzt der erste Teil des Beweises. Der zweite verläuft ähnlich. 2. Die Folge bn soll monoton fallend sein. bn/b(n+1)>=1 (1+1/(n-1))^n/(1+1/n)^(n+1) =(n/(n-1))^n/((n+1)/n)^(n+1) =n/(n+1)*(n^2/(n^2-1))^n =n/(n+1)*(1+1/(n^2-1))^n Jetzt machen wir wieder mit der Bernoulli Ungleichung weiter: n/(n+1)*(1+1/(n^2-1))^n>=n/(n+1)*(1+n/(n^2-1)) n/(n+1)*(1+1/(n^2-1))^n>=1+1/(n^3+n^2-n-1) 1/(n^3+n^2-n-1) wird >=0 für n>=1, also ist die Folge monoton fallend. 3. Jetzt kommt der letzte(und einfachste) Teil des Beweises. bn>an (1+1/(n-1))^n>(1+1/n)^n 1+1/(n-1)>1+1/n 1/(n-1)>1/n n>n-1 So, das war der Beweis, dass die Folge (1+1/n)^n für n->oo konvergiert;) Wenn man Näherungswerte braucht für e, benutzt man jedoch meistens eine andere Formel, weil diese hier nicht besonders schnell konvergiert: Sn i=0 1/i! Für n->oo bekommt man ebenfalls e. Aber selbst für sehr kleine Werte von n bekommt man schon gute Näherungen. Nimmt man z.B. n=10, dann hat man bei der Summenschreibweise e auf 7Stellen genau nach dem Komma. Bei der anderen Schreibweise stimmt nichtmal die erste Nachkommastelle;) MfG C. Schmidt |
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