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Markus Pöstinger (Sinister)
| Veröffentlicht am Dienstag, den 15. Mai, 2001 - 16:16: |
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Ich hab hier das Integral (inf. heißt unendlich) inf. x Int ------- 0 (x^3)+1 Wie kann ich das am günstigsten abschätzen, daß ich das auf Konvergenz untersuchen kann? |
H.R.Moser,megamath.
| Veröffentlicht am Dienstag, den 15. Mai, 2001 - 21:28: |
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Hi Markus, Wir benützen zur Abschätzung Deines Integrals den bekannten Hilfssatz für uneigentliche Integrale zweiter Gattung Hilfssatz °°°°°°°°° Das Integral int [dx / x ^ k ] , untere Grenze a >0 , obere Grenze plus unendlich, besitzt für k > 1 einen endlichen Wert; für k<= 1 divergiert das Integral gegen + unendlich. Daraus folgt der Satz °°°° Gilt für den Integranden f(x) des uneigentlichen Integrals int [f(x) * dx ] (untere Grenze a, obere Grenze + unendlich) von einer gewissen Stelle xo an eine Abschätzung der folgenden Art: abs [f(x)] < = C / x ^ k mit k >1 und für alle x >=xo, so besitzt das genannte uneigentliche Integral einen endlichen Wert, d.h. der Grenzwert int [f(x)*dx ,untere Grenze a , obere Grenze M für M gegen unendlich existiert. Abschätzung. Den Integranden f(x) Deines Integrals schreiben wir so: f(x) = 1 / [x^2 +1/x]. Wir wählen a = 1 und schätzen ab (die Absolutstriche sind nicht nötig): f(x) < 1 / x ^ 2 , für jedes x >1 Der kritische Exponent k ist 2; mithin hat das gegebene Integral einen endlichen Wert. Eine direkte Berechnung des Integrals ist leicht zu bewältigen. Für a = 0 erhalten wir den Wert J(0) = 2 / 9 * wurzel (3) * Pi, für a = 1: J(1) = 1 / 9 *wurzel(3) * Pi + 1 / 3 * ln (2) Mit freundlichen Grüssen H.R.Moser,megamath. |
H.R.Moser,megamath.
| Veröffentlicht am Mittwoch, den 16. Mai, 2001 - 07:29: |
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Hi Markus, Das uneigentliche Integral, das Du uns vorgelegt hast , eignet sich bestens, die Aufgabe etwas auszuweiten und den Umgang mit solchen Integralen zu üben. Zusatzaufgabe Für die positive Variable u sei die Funkton F = F(u) wie folgt definiert: F(u) = int [x / ( x ^ 3 + 1) * dx ] ; untere Grenze u , obere Grenze plus unendlich . Man beweise a) 9 * F( 1 ) - 6 * F ( ½ ) = ln 8 - ln 3 . b) Der Graf der Funktion F = F ( u ) hat genau einen Wendepunkt W; es gilt: u W = ½* 2 ^ ( 2 / 3 ) ~ 0,7937. : Anmerkung zu b) Man versuche, das Integral nach einem bekannten Satz direkt nach seiner unteren Grenze abzuleiten . Viel Erfolg wünscht H.R.Moser,megamath. |
Markus Pöstinger (Sinister)
| Veröffentlicht am Mittwoch, den 16. Mai, 2001 - 13:06: |
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Das ist nicht schlecht, vielen Dank. Das erste hilft mir sehr weiter und das zweite werde ich mir am Wochenende mal anschauen. Aber zuerst muß ich noch die Pflichtübungsaufgaben lösen. ;) Ich hab hier noch zwei Integral, von denen ich die Konvergenz überprüfen soll: Pi cosx Pi 1-cosx Pi 1 Int -------- = lim Int -------- + Int -------- 0 1-cosx a->0+ a 1-cosx a 1-cosx Pi = lim [ x - cot x/2 ] a->0+ a = Pi - 1/tan(Pi/2) - lim a - 1/tan(a/2) a->0+ Aber da komme ich nicht weiter, denn wenn a gegen 0 geht, bekomme ich kein sinnvolles Ergebnis. Dann hab ich hier noch 1 1 + x Int ln ( ------- )^2 = 2 * Int ( ln(1+x) - ln(1-x) ) 0 1 - x Wie komme ich da weiter? |
H.R.Moser,megamath.
| Veröffentlicht am Mittwoch, den 16. Mai, 2001 - 15:28: |
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Hi, Jetzt werden uneigentliche Integrale erster Gattung angeboten ! Auch für solche Integrale gibt es Konvergenzkriterien, von denen ich zwei zitiere. A] Voraussetzung: der Integrand f(x)des Integrals int [f(x) * dx ] ist im ganzen Integrationsintervall a< = x < =b stetig mit Ausnahme der unteren Grenze x = a. Für diese Stelle gelte : für x strebend gegen a kommt lim [f(x)] = plus oder minus unendlich. Unterhalb einer gewissen Stelle x = xo > a gelte die Abschätzung Absolutbetrag [f(x)] < = C / (x-a) ^ k für a< = x < =xo , wobei 0< k < 1 ist und C eine positive Konstante darstellt. Behauptung Unter diesen Voraussetzungen existiert das Integral int [f(x) *dx] in den Grenzen a, b und ist gleich dem Grenzwert für p gegen null desselben bestimmten Integrals mit a + p als unterer und b als oberer Grenze. B] Wenn für k > =1 unterhalb der Stelle x = xo > im Integrationsintervall die Abschätzung besteht: Absolutbetrag [f(x)] > = C / ( x - a ) ^ k mit C >0, so divergiert das gegebene Integral erster Gattung gegen plus oder minus unendlich. °°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°°° Als Beispiel werde ein uneigentliches Integral gewählt, das sehr gut zu Deinem goniometrischen Beispiel passt: Wir zeigen mit dem Kriterium B, dass das Integral mit f(x) = ctg x in den Grenzen 0 bis 1 divergiert. Die Unstetigkeit befindet sich an der unteren Grenze bei x = 0. Im Intervall 0 < x < = ½ gilt wegen cos x < ½ und sin x < x ctg x = cos x / sin x > ½ / x Das Kriterium B ist mit k = 1 erfüllt , und das Integral divergiert gegen plus unendlich. Dies kann auch durch eine direkte Berechnung des Integrals bestätigt werden. Wir erhalten mit p als untere und 1 als obere Grenze für I = int [ ctg x * dx] = ln ( sin 1 ) - ln ( sin p ) Dies strebt für p gegen null nach plus unendlich Auf Deine neuen Integrale werde ich später noch näher eingehen ! Bis dann Freundliche Grüsse H.R.Moser,megamath. |
H.R.Moser,megamath.
| Veröffentlicht am Mittwoch, den 16. Mai, 2001 - 17:47: |
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Hi Markus, Für die rechnerische Ermittlung des zweiten Integrals benötigen wir eine goniometrische Formel: 1 - cos x = 2 * [ sin ( x / 2 ) ] ^ 2 . Den Integranden f(x) des gegebene Integrals J formen wir nach Deinem Vorschlag um: f(x) = [ (cos x - 1) + 1 ] / ( 1 - cos x ) = - 1 + 1 / (1-cos x) Mit der angegebenen goniometrischen Formel erhalten wir: f(x) = - 1 + ½ * 1 / [ sin( x / 2 ) ] ^ 2. Für das unbestimmte Integral J kommt: J = - x - ctg ( x / 2 ) . Beim Einsetzen der unteren Grenze a = 0 wird deutlich, dass das vorgelegte uneigentliche Integral nicht existiert. Wir berechnen zusätzlich das Integral K über dieselbe Funktion f (x) , aber mit der neuen unteren Grenze a = Pi / 2, obere Grenze nach wie vor b = Pi. Ergebnis: K = 1 - ½ * Pi . Fortsetzung folgt. Mit freundlichen Grüssen H.R.Moser,megamath. |
H.R.Moser,megamath.
| Veröffentlicht am Mittwoch, den 16. Mai, 2001 - 18:23: |
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Hi Markus, Das Ergebnis der letzten Aufgabe sei vorweggenommen Das uneigentliche Integral existiert und hat den Wert J = 4* ln 2 Lösung Wir zerlegen den Integranden f(x) = ln [(1+x) / (1-x) ] ^ 2 o weit wie möglich: f(x) = 2 * [ln ( 1+x) - ln ( 1 - x )] Den Faktor 2 lassen wir weg und fügen ihn erst am Schluss wieder hinzu. Das Ergebnis der unbestimmten Integration der Logarithmusfunktionen in der eckigen Klammer lautet: (x +1)* ln ( x + 1 ) + ( 1 - x )* ln (1-x ) Setzt man die untere Grenze x = 0 und die obere Grenze x = 1 ein , so erhält man unter Berücksichtigung des Faktors 2 das oben angegebene Schlussresultat. Man beachte,dass (1- x) * ln(1-x) gegen 0 strebt, wenn x steigend gegen 1 geht. Zum Schluss ein weiteres hübsches Beispiel eines uneigentlichen Integrals erster Gattung. Es hat an beiden "Enden" kritische Stellen , aber es existiert dennoch. int [ ln [(1+x) / (1-x)] * dx / x ] = ¼ * (Pi) ^ 2 (bestimmtes Integral von 0 bis 1) Alles hat ein Ende, nur die Wurst hat zwei ! Mit freundlichen Grüssen H.R.Moser,megamath. |
Markus Pöstinger (Sinister)
| Veröffentlicht am Donnerstag, den 17. Mai, 2001 - 08:22: |
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Hallo! Ich wollt Dir/Ihnen(?) jetzt mal für Ihre Hilfe danken. Ich glaube, ich habe dazugelernt und schaffe solcherlei Aufgaben nächstes Mal alleine. Aber ich frage mich, wo Sie die Zeit hernehmen, um so viel Unterstützung zu leisten, sie sind ja auch noch in den anderen Matheforen aktiv... Allerdings habe ich noch Probleme mit partieller Integration, die man bei folgender Aufgabe benötigt, aber die scheint mir etwas dicker zu sein: Man zeige, daß inf x^m J(m,n) = Int --------- dx 0 (1+x)^n existiert und daß gelte m!(n-m-2)! J(m,n) = ------------ (n-1)! |
H.R.Moser,megamath.
| Veröffentlicht am Donnerstag, den 17. Mai, 2001 - 12:33: |
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Hi Markus, Dies ist eine recht anspruchsvolle Aufgabe,die Du hier neuerdings im Board präsentierst. Ich frage mich, an welcher Fakultät solche Anforderungen in der Form von Uebungsaufgaben gestellt werden Der Zufall (oder ist es doch kein Zufall ?) will es, dass gestern eine ganz ähnliche Anfrage von "fanifisch" zu einem Integral ins Board gestellt wurde, das mit Deinem Integral aufs engste verbunden ist. Beide Aufgaben beziehen sich auf die sogenannte Betafunktion, die folgendermassen definiert ist: Beta(r,s) = B(r,s) = int [x ^ (r-1) * (1 - x )^(s-1) * dx] (untere Grenze 0,obere Grenze 1) = int [x ^ (r-1) / {(1+ x) ^ (r+s)} * dx (untere Grenze 0,obere unendlich) Setze in dieser Relation beim letzten Integral r = m+1 , s = n-m-1 , und Du erhältst gerade Dein Integral samt Lösung Diese Betafunktion steht in einer engen Beziehung zur Gammafunktion Gamma von p ( Schreibweise G = G(p) ). Es gilt die Beziehung: B(r,s) = B(s,r) = G(r) * G(s) / G(r+s) Beachte noch die Beziehung G(p) = (p-1)! Solche Dinge werden in der Regel in Vorlesungen abgehandelt, wozu auch der Nachweis der Existenz der uneigentlichen Integrale , die hier auftreten, gehört. Die übliche Herleitung ist äusserst interessant , aber ziemlich aufwändig. Aus Zeitgründen muss ich leider auf diese Arbeit verzichten Mit freundlichen Grüssen H.R.Moser,megamath. |
Markus Pöstinger (Sinister)
| Veröffentlicht am Montag, den 21. Mai, 2001 - 13:37: |
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> Ich frage mich, an welcher Fakultät solche > Anforderungen in der Form von Uebungsaufgaben > gestellt werden Das ist an der Medizinischen Universität zu Lübeck im Studiengang Informatik, Nebenfach Analysis im 2. Semester. ;) Der Mathematiker, der sich um die Übungsaufgaben kümmert, ist total neu an unserer Uni und kommt aus dem Bildungshochland Bayern, speziell aus München, wo die Vorbildung etwas besser scheint und wahrscheinlich auch ist, als hier in the deep north. ;) |
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